Psychoonkologie

Was ist das?

Psychoonkologie ist die Lehre von den Zusammenhängen zwischen Krebserkrankungen und dem Leben der Seele. Solche Zusammenhänge gibt es in beide Richtungen, d.h. die körperliche Krankheit hat Auswirkungen auf die seelische Befindlichkeit und umgekehrt.

Dass eine lebensbedrohliche Krankheit wie Krebs Auswirkungen auf unser Gefühlsleben hat, ist wohl jedem sofort einleuchtend: Da gibt es Schock und Entsetzen beim Feststellen der Diagnose, vielleicht auch die wütende Frage "warum ICH?" Da gibt es, je nach Behandlungsverlauf, den Taumel zwischen Angst, Hoffnung und Resignation. Da gibt es das ängstliche und übereifrige Bemühen, jetzt alles für die Gesundheit richtig zu machen und jede als schädlich vermutete Belastung zu vermeiden. Als Gegenpol dazu gibt es aber auch den Versuch, die Krankheit komplett zu ignorieren und so weiter zu leben als wäre nichts geschehen. Da gibt es die Verzweiflung angesichts von rapidem Kräfteverlust und die Zermürbung durch große Schmerzen oder die Nebenwirkungen der oft sehr eingreifenden Behandlungsmethoden. Und da gibt es vielleicht überraschenderweise auch Momente von Glück und der Erkenntnis, wie kostbar das Leben ist.
Auch die Menschen in der Umgebung des Krebskranken bleiben nicht unberührt: die einen reagieren mit spontanem Mitgefühl, Verständnis und konkreten Hilfsangeboten, die anderen mit Erschrecken, Berührungsängsten und Rückzug. Für die Kranken bedeutet das oft überraschende oder enttäuschende Veränderungen in ihrem Freundes- oder Bekanntenkreis.

Die Frage "warum ICH?" führt zu der anderen Wirkrichtung, der von der Seele auf den Körper: Hier stoßen wir bei einigen Erkrankten auf bis zu 2 - 3 Jahre vorangegangene Lebensereignisse, die jemanden haben den Lebensmut verlieren lassen. Oder wir finden, dass jemand Leid für einen anderen, geliebten Menschen übernehmen will. Bei wieder anderen finden wir bestimmte selbst schädigende Verhaltensmuster, die die Entstehung der Krankheit begünstigt haben, und die oft auch den Heilungsverlauf beeinträchtigen, wenn sie unverändert bleiben. Von manchen Forschern wurde versucht, eine "Krebspersönlichkeit" zu definieren, doch die Merkmale, die da aufgelistet wurden, finden sich längst nicht bei allen Krebskranken, dafür aber auch bei Menschen mit anderen schweren körperlichen oder seelischen Krankheiten. Meines Erachtens helfen solche Definitionen nicht wesentlich weiter, sondern jeder Kranke sollte seine ganz persönlichen Bedingungen und Hintergründe erforschen und ggf. verändern.

Was kann die Psychoonkologie für die Betroffenen leisten?

Es gibt zahlreiche Forschungen, die belegen, dass eine im weitesten Sinne psychotherapeutische Begleitung von Krebskranken den Krankheitsverlauf und vor allem die Lebensqualität der Betroffenen positiv beeinflussen, und zwar sowohl in Gruppen- wie in Einzelbehandlung.
Oberstes Ziel ist dabei in der Regel, die Selbstheilungskräfte der Kranken auf allen Ebenen zu stärken: es wird der Achterbahn von Gefühlen Raum gegeben und es werden Wege gezeigt, nicht in Angst oder Hoffnungslosigkeit stecken zu bleiben. Gewohnte Verhaltensmuster werden untersucht, ob sie Genesung und Wohlbefinden fördern oder blockieren. Angesichts belastender Lebensereignisse wird Unterstützung zu deren Verarbeitung gegeben. Ganz wichtig ist es, jegliche Quelle von Freude, Spaß und Kraft ausfindig zu machen und verstärkt zu nutzen. Denn wirkliche Freude ist weit vor allem anderen unser bestes Heilmittel!
Und nicht zuletzt mögen Fragen nach den eigenen Werten, nach dem Sinn des Lebens und der Haltung dem Tod gegenüber erörtert werden.

Welche Angebote gibt es?

Im ambulanten Bereich werden Gruppenbehandlungen in Deutschland überwiegend von Selbsthilfegruppen angeboten, wo es neben der Möglichkeit zur seelischen Verarbeitung auch viele ganz praktische Tipps und Hilfen von anderen Betroffenen gibt. Es fördert die Qualität solcher Selbsthilfegruppen, wenn sie von Zeit zu Zeit von Fachleuten betreut und unterstützt werden ("Supervision").
Die ärztlichen oder psychologischen Psychotherapeuten bieten überwiegend Einzelbehandlung an, man kann sie statt oder neben der Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe wählen. Fragen Sie danach, ob der betreffende Therapeut besondere Erfahrungen oder gar eine spezielle Fortbildung auf diesem Gebiet hat.
Es gibt inzwischen auch mehr und mehr onkologische Krankenhausabteilungen, die eigens Psychologen beschäftigen und/oder die Bildung von SH-Gruppen fördern, um schon im Krankenhaus die nötige Hilfe zu geben.
Außerdem gibt es in Deutschland zahlreiche Rehakliniken, die sich auf psychoonkologische Heilbehandlungen spezialisiert haben.